• Als „NiersRunner“ vom Niederrhein beim

                                    “White Nights Marathon” in Sankt Petersburg –

  “White Nights. No time for sleep. Run!”

 Ein einprägsamer Slogan für alle, die mit dem Sankt Petersburger Marathon liebäugeln.

 

Tatsächlich beginnt der Marathon in der Stadt, die früher einmal Petrograd und danach Leningrad hieß, nicht in der Nacht, sondern morgens um acht, eine halbe Stunde vor dem Start der 10km-Läufer. Von ihnen werden dieses mal etwa 7000 an den Start gehen, Marathonis haben sich 4440 angemeldet, davon 91 Deutsche (nur 3686 Läuferinnen und Läufer, unter ihnen 69 Deutsche, werden letztlich finishen).

Der Startplatz könnte attraktiver nicht sein: an diesem Morgen der „Weißen Nächte“, in denen die Sonne nie vollständig untergeht, empfängt uns Läufer der Platz vor der Eremitage in strahlendes Sonnenlicht getaucht, was für ein Anblick!

Hier, wo im November 1917 Rotarmisten den Winterpalast des Zaren stürmten, animieren jetzt hübsche Vorturnerinnen in knapper (roter) Sportkleidung zur Aufwärmgymnastik.

Ich verstehe zwar nicht, was sie ins Mikrophon rufen, aber die Reaktion ist eindeutig:

 

Hunderte bewegen sich simultan zu lauten, harten Rhythmen, ein ansteckender Flashmob!

 „Dawaj, dawaj!“

 Um mich herum stehen in erster Linie russische Läufer, aber es sind auch französische Worte zu hören; Schweden, Italiener und Niederländer sind an ihren Laufshirts zu erkennen.

Der Startschuss fällt, Jubel, aufmunterndes Klatschen und Anfeuerungsrufe der mitgereisten Fans … und zum ersten mal die freundlich gemeinten „Dawaj, dawaj“-Rufe:  „Los geht’s!“, „Viel Erfolg!“ ist wohl gemeint.

Wir verlassen den Startplatz, laufen vorbei an der Admiralität, ich schaue mich um, es wird ruhig… was ist das?  Schon nach wenigen Metern sind keine Anfeuerungen mehr zu hören, keine Zuschauer… wo sind die Sankt Petersburger? Das ist doch eine Millionenstadt hier!

Es zeigt sich schon jetzt, was auch auf dem weiteren Streckenverlauf so sein wird: warum auch immer, es gibt keine Zuschauer bei diesem Lauf!

Da lob’ ich mir doch Berlin, Köln, Venlo… oder den Wachtendonker Stadtlauf!!!

Aber Marathonläufer denken positiv: so wird der Blick auf die Schönheit der Strecke wenigstens nicht verstellt! Denn jetzt folgt ein Highlight auf das andere: goldglänzende Kirchenkuppeln, zaristische Prachtbauten und eindrucksvolle Segelschiffe vergangener Zeiten

sind im Vorbeilaufen zu bewundern.

Die einzelnen Streckenkilometer sind nicht, wie sonst üblich, auf der Straße oder mit Hilfe von Schildern markiert, sondern freundliche, zumeist junge Menschen stehen mit bedruckten T-Shirts an den entsprechenden Stellen am Straßenrand: „KM 18“ trägt die junge Dame auf der Brust und hält mir lächelnd ihre Hand zum Abklatschen entgegen.

Brotberge und Salzhäufchen

Wir laufen die Newa entlang und überqueren sie und ihre Seitenarme ein paar mal: nicht umsonst nennt man Sankt Petersburg auch das Venedig des Nordens.

Die Sonne meint es gut mit den Läufern, fast ein bißchen zu gut, denn  es wird heiß! Was schön ist für das Auge ist anstrengend für den Körper, der noch so manchen Kilometer vor sich hat.

Meine Halbmarathonzeit ist wie geplant und ich fühle mich gut, die Verpflegungsstationen habe ich bisher ausgelassen, jetzt aber schaue ich sie mir etwas genauer an:

neben den üblichen Bananenstückchen liegen lose auf den Tischen große Mengen von Rosinen… und Berge von Brotwürfeln, die man wohl in die darauf folgenden Salzhäufchen tunken soll. Das lasse ich lieber! Dann schon eher einen Schluck vom isotonischen Getränk, eine Wasserflasche geschnappt und weiter geht’s!

Wir laufen jetzt dem großen Stadtkanal, der Fontanka entlang. Es ist schon ein besonderes Gefühl, wenn für uns der Verkehr in dieser Millionenstadt angehalten wird!

Unter großen Schirmmützen strenge Polizeigesichter, kein Lächeln für uns Läufer, ein böser Blick und ein schriller Pfiff für die Autofahrer, die schnell noch die Laufstrecke überqueren wollen.

Spacibo, Russland!

 Kilometer 30, jetzt wird es so richtig anstrengend. Es geht fast 5 Kilometer immer die Newa entlang, eine ziemlich triste Strecke, dann eine Kehre und die gleiche Strecke wieder zurück.

An den letzten Verpflegungsstellen ein paar aufmunternde Worte, ein einzelner Schlagzeuger, der eher verbissen sein Instrument malträtiert.

Viele Mitläufer sind inzwischen zu Gehern geworden.

Mein vorrangiges Ziel bei diesem Marathon, nämlich „Ankommen“, werde ich erreichen, mit einem kleinen Endspurt auf den letzten beiden Kilometern schaffe ich es vielleicht sogar unter der 5 Stunden-Grenze zu bleiben.

Links von mir sehe ich schon die endlosen Besucherschlangen vor der Eremitage –  in gewisser Weise auch Ausdauersport!

Eine kleine Kurve noch und ich bin auf der Zielgeraden und sehe den „Finish“-Bogen.

Ich laufe jetzt entspannt und locker, genieße bewusst die letzten Meter über diesen großartigen Platz mit dem im gleißenden Sonnenlicht liegenden Winterpalast.

4:58:40 sagt meine Uhr.

Ein schöner Lauf, eine tolle Lauf-Reise, die mir geholfen hat, einige Vorurteile über dieses Land und seine Menschen über Bord zu werfen.

Und alle Anstrengungen in der sportlichen und organisatorischen Vorbereitung haben sich gelohnt!

Spacibo, Russland!

Mit lieben Grüßen

Klaus

Von der Niers an die Newa…

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