hier mein Laufbericht vom „Trip to Marrakesch“.
Habe ein passendes Liedchen angehängt, so dass, wer möchte, sich auch musikalisch richtig einstimmen kann.

Sonntag, 25.Januar 2009
Es ist acht Uhr am Morgen und die aufgehende Sonne taucht den Startbereich in ein angenehmes Licht.
Man kann erahnen, dass es ein schöner, sonniger Tag wird, die Temperaturen sind jetzt allerdings noch alles andere als angenehm, so etwa 5 °C .
In einer halben Stunde werden wir loslaufen, Marathon- und Halbmarathonläufer gleichzeitig, zu Ehren und auf Einladung des Königs von Marokko, Mohammed VI.
Am Horizont sieht man die schneebedeckten Gipfel des Atlasgebirges, davor hunderte von Palmen, deren Zweige sich vor einem allmählich blau werdenden Himmel sanft bewegen. Eine geradezu unwirkliche Kulisse für meinen ersten Lauf auf dem afrikanischen Kontinent, wunderschön und atemberaubend!

Auf der breiten Straße, die zum Flughafen und zu dem Menara-Garten führt, sammeln sich die Läufer, im aufgeregten Hin- und Her ist die Spannung vor dem Start spürbar.
Vielleicht ist es aber auch die Erleichterung, zur richtigen Zeit am richtigen Ort zu sein, die sich in dem aufgeregten Sprachgewirr äußert, denn es war nicht leicht, gerade diese Stelle als Startbereich auszumachen.
„Depart: Avenue Prince My Raschid“ steht auf dem Zettel, der auf der Marathonmesse ausgegeben wurde. Winzig klein darauf eingezeichnet die Laufstrecke.  Aber die so benannte Straße ist auf keinem Stadtplan zu finden. Vielleicht wird der Prinz ja erst noch geboren werden, die Straße also in Zukunft nach ihm benannt sein ?
Immerhin, ich bin am richtigen Ort, das ist inzwischen klar!

In erster Linie sind es marokkanische Läufer, die an den Start gehen, häufig ist der grüne Stern auf rotem Untergrund zu sehen.
Die Spitzenläufer kommen aus Kenia.
Aber auch jede Menge französische Läufer stehen bereit, Spanier, ein paar Engländer, Italiener, Libanesen und …. natürlich sind unsere holländischen Nachbarn auch hier, sie haben bereits im Vorfeld auf der Marathonmesse im Freien durch Gesang und Tanz weite Teile Marrakeschs aus dem Häuschen gebracht (das Flugzeug von Weeze nach Marrakesch war fest in niederländischer Hand !).

Jemand klopft mir von hinten auf die Schulter, „Bonne chance !“, lacht mir ein alter Mann um die Siebzig zu und umarmt mich, sein Gebiss ist mehr als lückenhaft und sein Outfit scheint aus den Anfängertagen des Langstreckenlaufs zu stammen – aber seine Läuferfigur fordert mir Respekt ab, mager, muskulös und durchtrainiert, ich muss an Hans-Werner denken !

Als pünktlich um 08:30 der Startschuss fällt horche ich ein letztes Mal in mich hinein – mein Magen und mein Darm schweigen, ein gutes Zeichen, ich hatte Angst vor den unbekannten Keimen, habe vorher nur vorsichtig gegessen, obwohl Tajine und Couscous so verlockend aussahen !

Wir laufen los, es geht durch die Neustadt mit ihren Prachthotels und hinaus Richtung Menara-Garten, einen kurzen Blick auf den berühmten Pavillon vor dem großen Wasserspeicher kann ich im Vorbeilaufen erhaschen, hier muss ich später nochmal hin !
Vereinzelte Zuschauer am Straßenrand schauen uns zu, applaudieren, scheinen aber eher amüsiert als begeistert.
Weiter geht’s durch endlos scheinende Olivenhaine Richtung Medina.
Nachdem wir den großen Agdal-Garten umrundet haben, taucht sie vor uns auf, die aus roten Lehmziegeln erbaute Stadtmauer, hinter der sich die Souks und die Kashbah befinden, dieses unglaubliche, märchenhafte Gewirr von Gassen, Werkstätten und Verkaufsständen, die so faszinierend und abenteuerlich auf alle Besucher wirken.
Wir umrunden die Medina, laufen immer außen entlang der Stadtmauer, ich weiß nicht, ob ich mich aufs Laufen konzentrieren soll oder diese Eindrücke in Ruhe genießen möchte: das Grün der Palmen vor dem Rot der Stadtmauer und dem Weiß-Grau der Atlasgipfel im Hintergrund.
Dazu diese Gerüche, der „Duft“ Marrakeschs : der Qualm von Holzkohle und gegrillten Hammelwürstchen mischt sich mit dem Wohlgeruch von Jasmin und Orangen, Kamelmist und Pferde-Urin stinken zwischen Ras-El-Hanout und Kreuzkümmel hervor.
Mein Magen schweigt immer noch, Gott-sei-Dank und ich konzentriere mich jetzt auf’s Laufen.
Nachdem ich zu Beginn ein wenig Schwierigkeiten hatte , den richtigen Rhythmus zu finden, klappt’s jetzt besser und ich hänge mich an zwei Holländer, deren Gesichter ich aus dem Hotel kenne. Konkurrenz !
Mein Kampfgeist erwacht !
Die beiden Niederländer laufen gemeinsam, sehen nicht so elegant und frisch aus, so, als könnte ich sie jederzeit überholen – aber sie sind schneller, als ich glaubte, außerdem ausdauernd! Sie wechseln sich in der Führungsarbeit ab und werden sogar schneller. Ich habe Mühe, dranzubleiben.

Am Straßenrand, aus ihren Souks herausgekommen und entlang der Stadtmauer verteilt stehen jetzt immer mehr Menschen, die einfacheren, ärmeren Bewohner Marrakeschs: Männer in ihren dunklen, wollenen Djellabas, die spitze Kapuze auf dem Kopf, verschleierte Frauen, ganz in Schwarz, die nur durch einen schmalen Spalt einen Blick auf die Läufer werfen können.
Viele Schulkinder stehen in Gruppen in Begleitung ihrer Lehrer an der Laufstrecke, offensichtlicher Unterrrichtsausfall wegen dieses außergewöhnlichen Ereignisses.
Sie lachen und sind begeistert, strecken ihre kleinen, schmutzigen Hände zum Abklatschen heraus (Die Keime! Mein Magen! – Was soll’s !!!)

Es gibt nur alle fünf Kilometer Markierungen an der Strecke, mir ist etwa bei Kilometer 18 nicht klar, ob ich es schaffen werde, das mir gesetzte Ziel von 5:00 Minuten pro Kilometer (Endzeit 1:45:00) zu erreichen.
Also gebe ich nochmal Gas, habe bei Kilometer 20 schon das Gefühl, ich liefe schneller als 05:00, die Niederländer sind jetzt hinter mir, ich schaue mich nicht um, wie weit sie weg sind  (alte Läuferweisheit, ihr kennt sie : „Wer sich umdreht, verliert !“ ).
Aber die Zeit läuft mir weg, 1:44 , 1:45, noch eine Biegung, bis ich die überdimensionale Gummi-Teekanne des Hauptsponsors an der Ziellinie sehe.
Leichtes Bedauern dann im Ziel, 1:47:38, aber was soll’s – es war ein toller Lauf!

Nachdem ich umgezogen bin und meine Mandarinen verspeist habe (die gab es als Belohnung im Ziel, dazu eine wunderschöne  Medaille – aber keine Urkunde !), gratuliert mir ein junger Marokkaner im Nationaldress.
Sehr nett, der Bursche – aber was will er wirklich?  
Das wird im Gespräch schnell deutlich: er fragt mich nach meinem Verein, läßt einfließen, dass er mit 1:08 (!!!) als etwa Zwanzigster ins Ziel gekommen ist und hofft, dass mein Verein Einladungen für Spitzenläufer nach Europa ausspricht. Na sowas !
„Tut mir leid“, sage ich ihm, „my sports club is called ‚The NiersRunners Wachtendonk‘ and we’re running just for fun ! „
Und das fühle ich in diesem Augenblick auch!

Es war das reine Vergnügen, dieser erste Lauf in Afrika, fantastisch und ein wenig abenteuerlich wie alles, was damit verbunden war.
Weralso noch eine Alternative zu dem Honigkuchenmann-Marathon im Januar 2010 sucht – hier ist sie !

Liebe Grüße,

Klaus

2009 Marrakesch

Beitragsnavigation


WP-Backgrounds Lite by InoPlugs Web Design and Juwelier Schönmann 1010 Wien