Hallo, ihr Lieben !
 
Wie sollte ein Morgen sein, an dem man an einen Marathonstart geht ?
Klar, gut geschlafen sollte man haben, Zeit genug zum Duschen, für’s Ankleiden und für den Toilettengang ….. und das kleine Frühstück sowie der KAFFEE sollten nicht fehlen !
Fehlte mir aber vergangenen Sonntag, als es um 08:00 Uhr in Madrid Richtung Marathonstart ging, denn unser Hotel bot leider kein Frühstück! Also ein wenig trockenes Brot auf dem Zimmer gekaut, dann zur Metrostation – und Gott-sei-Dank, ein offenes Cafè so früh, schnell also einen  Cafe solo im Stehen und schon sah die Welt wieder rosiger aus.
Menschenmassen am Plaza de Cibeles vor dem wunderschönen alten Prachtbau der Post, hier ist der Start, zumindest der Sammelpunkt für etwa 9000 Marathonläufer und noch einmal halb so viele 10.000-m-Läufer. 
Beeindruckend die Szene, dazu spanische Geräuschkulisse, strahlender Sonnenschein und letzte Punktlandungen einiger Fallschirmspringer auf der Startlinie.
Dann Gejohle und Applaus, irgendjemand muss den Startschuss gehört haben, die Läufermasse wird zur Läuferwelle, vamos !
Wie werde ich mit der Hitze zurecht kommen ? Noch ist die Temperatur sehr angenehm, aber bei strahlendem Sonnenschein werden heute erstmals schon im Laufe des Vormittags über 25 °C erwartet. Da das Streckenprofil zudem nicht ohne sein soll, habe ich mich auf eine mäßige Endzeit eingestellt, will mir Madrid ansehen und den Lauf soweit wie möglich genießen!
„Nicht leiden und besser ankommen als in Brüssel“ heißt mein Ziel, unter 4:15:00 wäre ich zufrieden!
Kilometer 6, rechts taucht das Estadio Santiago Bernabéu auf, schön, das einmal von so nahem zu sehen! Gestern Abend noch Schauplatz dramatischster innerspanischer Auseinandersetzung, denn der Klassiker wurde hier ausgetragen– und live im spanischen TV übertragen: REAL gegen BARCA
Auf dem Bette liegend freue ich mich über soviel spannende Abwechslung am Vorabend des Marathons.
Die erfahrenste aller Laufbegleiterinnen warnt allerdings: „Es ist 22:00 Uhr, willst du nicht lieber schlafen? – Wer spielt denn da überhaupt ? Warum willst du das denn überhaupt sehen, da spielt doch gar keiner von uns mit! Wie, Özil und Khedira – ich dachte, die spielen für Deutschland! Das ist aber jetzt doof, wieso spielen die hier ?!“
Nun gut, ich hab’s dann nicht ganz zu Ende angesehen!
Heute schauen alle vorbeilaufenden Madrid-Anhänger leidlich zufrieden auf’s Stadion, denn das Unentschieden gestern war schmeichelhaft für die Königlichen !
Nach einer Dreiviertel-Umrundung des Stadions plötzlich eine schöne, anrührende Situation: die 10er gehen auf eine andere Strecke, es heißt Abschiednehmen und mit lautem Rufen, Winken und Daumen hoch trennen wir uns voneinander. Viel Glück für euch und Ade !
Vorbei geht’s am Bankenviertel, imponierende Hochhäuser und architektonische Glanzleistungen aus Glas und Stahl, die der Schwerkraft ein Schnippchen schlagen.
Das muss so manchen Euro gekostet haben, denke ich bei mir so zwischen Kilometer 10 und 11 und sinne darüber nach, ob nicht auch die spanischen Banken ….. halt nein, das waren natürlich die Portugiesen, die unter den Euro-Rettungsschirm geflüchtet sind! 
Und die Iren. Den Spaniern geht’s doch offensichtlich gut, bankenmäßig zumindest !
Kurze Zeit später geht’s MIR nicht gut, ich habe das Gefühl, am Limit zu laufen und das, obwohl ich momentan kaum einen Sechs-Minuten-Schnitt habe.
Wunderschöne Häuser am Straßenrand, herrliche Parkanlagen im Sonnenschein – schön für die Augen, aber diese Temperatur ist nicht gut für meine Kondition!
Als ich Dagmar wie verabredet am Rand der Laufstrecke kurz hinter Kilometer 13 sehe, kündige ich ihr an, wohl langsamer werden zu müssen, es ist zu heiß !
Es geht mal wieder bergab, auf einen langen Autotunnel zu. Die Stimmung steigt im Tunnel, die Läufermasse erhebt ihre Stimme, singt und jubelt und genießt das Echo und die willkommene Abwechslung. 
Reihenpinkeln am Rand – warum gerade hier und jetzt ? 
Ganz unten angekommen, wird’s plötzlich still und mir wird schnell klar, warum: irgendwann geht’s eben auch wieder bergauf , und zwar JETZT!
Ablenkung muss her !
Was machen wir eigentlich morgen, nach dem Marathon?  ESSEN natürlich, köstliche Dinge stehen auf Madrids Speisekarten: cochinillo beispielsweise, knusprig gebratenes Spanferkel mit patatas bravas oder cocido madrileno, einem Eintopf aus Light-Produkten wie Blutwurst, Speck, Kalbsfuß und Kichererbsen. Joiiii !
Und dann noch all die überaus lecker aussehenden Tapas, die mich gestern schon den ganzen Tag angelächelt haben, aber deren Namen ich noch nicht kenne.
Wir werden uns bekannt machen, versprochen!
Aber dazu muss ich dann noch ein wenig im Reise-Sprachführer lesen ! Dort habe ich gestern auch folgenden ( zu übersetzenden ) Satz gelesen :
„Ich möchte eine Führung durch das Madrid der spanischen Habsburger machen !“ Dass ich nicht lache, nix, spanische Habsburger, für mich morgen eher spanische Hamburger!
Wir lassen die Straßen hinter uns, es geht in Madrids Naherholungsgebiet Casa Campo.
Familien beim Picknick (TAPAS !), die uns freundlich zulächeln, ab und zu anfeuernd rufen und applaudieren. Überhaupt, die Zuschauer: es sind nicht viele an der Strecke, teilweise könnte der Lauf auch in Nieukerk sein, auf der Dennemarkstraße ist mehr los (zumindest wenn samstags der Bürgersteig gefegt wird !).
Aber dort, wo sie dann stehen, die Zuschauer, sind sie sich ihrer Aufgabe durchaus bewusst: sie scheinen zu wissen, wie hart die bevorstehende Steigung wieder mal ist, denn sie schreien und treiben mit ihren Anfeuerungen auch den müdesten Läufer die letzten Meter hoch.
Ich antworte ihnen mit einem freundlichen „Grazias“, möglichst spanisch, denke ich, gehört sich ja so, mit rollendem „r“ und „ti-äitsch“, „Grrrrrathias“ rufe ich und sie danken’s mir mit noch mehr Lärm !
 Und dann stelle ich erfreut fest, dass mein Tief ausbleibt !
Meine Zwischenzeiten sind besser geworden, ich fühle mich eigentlich ganz gut und der Mann mit dem Hammer scheint mich zu verschonen!
Bei Kilometer 33 habe ich Dagmar verpasst, schade, aber kein Stimmungs- oder Leistungstief, es geht gut weiter, Kilometer 35, 37, trotz Steigung auf den letzten Kilometern keine Schwächeperiode.
Hinein geht’s in den schönen Retiro-Park, in dem sich das Ziel befindet.
Wir laufen auf  breiten, wunderschönen mit alten Baumbeständen gesäumten Straßen, an deren Rändern jetzt dicht gedrängt die Zuschauer stehen.
3:56:00 ist meine Zeit bei Kilometer 40, meine Zielzeit von unter 4:15:00 werde ich klar erreichen und ich gönne mir zwei Kilometer lächelnd-entspannten Zieleinlauf.
 Mit meinen 4:09:52 bin ich sehr zufrieden – ein schöner Lauf war das, dieser Madrid-Marathon und die spanische Hauptstadt bleibt sympathisch in Erinnerung!
Klaus Leenen
2011 Madrid

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